"Tauche mit uns in das bewegte Leben von Joan Baez ein! Der Film 'I Am a Noise' gewährt einen intimen Blick auf die Folksängerin und Aktivistin und zeigt mutig die Schattenseiten, die zu ihrer Lebensgeschichte gehören. In meinem Artikel beleuchte ich, wie der Film persönliche Traumata aufgreift, wichtige Chancen zur tieferen Erzählung aber ungenutzt lässt. Entdecke eine neue Perspektive auf Joan Baez' Lebensgeschichte, die ihre außergewöhnlichen Leistungen und den Einfluss ihrer frühen Erfahrungen reflektiert."
Joan Baez – ein großer Star und aufgrund ihrer absoluten Glaubwürdigkeit eine moralische Institution. In der Talkshow "Heut' abend" (1980) spricht sie über ihr Engagement als Bürgerrechtlerin, ihren Kampf gegen den Vietnamkrieg und ihren Einsatz für die Menschen in und aus Kambodscha. Wir erfahren mehr über die außergewöhnliche Sängerin, die für Entschlossenheit, Mut und Ausdauer bekannt ist.
I am a noise / Stephan Weber
Ein tiefgründiger Blick auf "I Am a Noise" – Aspekte des Films über Joan Baez
Liebe Joan Baez und Filmemacher, lieben Dank für diesen Einblick in die Lebensgeschichte. Es sind die Bilder, Aufnahmen, die Idee des Tagebuches schön gewählt. Alles wirkt behutsam, fein und wertschätzend: gut. Einen besonders herzlichen Dank an Joan Baez, die uns eine sehr intime Teilnahme an ihrem Leben ermöglicht! Das zeugt von Größe! Davor kann ich mich nur verneigen.
Einführung
Der Film "I Am a Noise" bietet einen tiefen Einblick in das Leben von Joan Baez. Mit beeindruckenden Bildern, persönlichen Aufnahmen und der kreativen Nutzung von Tagebucheinträgen wird ihre Lebensgeschichte behutsam und wertschätzend erzählt. Für Fans und Kenner von Baez’ Werk, wie ich es seit über 55 Jahren bin, stellt der Film jedoch keine neuen Perspektiven auf ihr bewegtes Leben vor.
Widersprüche und Wahrheit
Der Film beginnt mit der Aussage, dass die schriftliche Lebensgeschichte wenig mit der Wahrheit zu tun hätte, da Menschen nur das preisgeben, was sie sehen wollen. Damit wir das Thema Wahrheit berührt. Hierbei wird jedoch eine wesentliche Möglichkeit der Lebensgeschichte vernachlässigt, die Alasdair MacIntyre aufzeigt: „Weil wir alle in unserem Leben Erzählungen ausleben und unser Leben mit Hilfe der Erzählungen, die wir ausleben, verstehen, eignet sich die Form der Erzählung dazu, die Handlungen anderer zu verstehen. Geschichten werden gelebt, bevor sie erzählt werden außer in Romanen.“ Diese Perspektive auf Lebensgeschichten als einmalig und unwiederholbar wird im Film nicht weiter verfolgt, was die Dynamik und Tiefe der Erzählung mindert.
Horizontverengung
Durch die Beschränkung auf bestimmte Aspekte der Biografie von Baez werden viele wichtige Momente ihrer Geschichte ausgeblendet. Die Aussage „For whatever reason, I was the right voice at the right time“ enthält eine Quelle, die über den Horizont des Helden der Geschichte hinausgeht. Der Film gibt diesen bedeutenden Facetten ihrer Persönlichkeit jedoch wenig Raum.
Ausgelassene Chance dem Dialog von Autor und Held nachzugehen
Der Film versäumt es, einen Dialog zwischen dem „Autor“ der Lebensgeschichte und dem Helden dieser Geschichte anzuschauen. Eine schonungslose Bilanz wird betont, ohne den tieferen Kern der Themen zu erfassen.
Umgang mit Traumata
Der Film zeigt Therapiesitzungen, die verdeutlichen, dass Baez' Traumata nicht geheilt wurden. Ein zentraler Schatten in ihrem Leben war der Missbrauch in ihrer Kindheit, der erst im Erwachsenenalter von Joan Baez thematisiert werden konnte. Laut Peter Levine müssen Traumata kein lebenslanges Leid bedeuten, sie können geheilt und transformiert werden, so dass die damit verbundenen Gefühle im Raum sein können, aber nicht überwältigend sind.
Verpasste Integrationsmöglichkeiten
Joan Baez' Lebensgeschichte hätte sich mit angemessener Hilfe in ihrer Jugend anders entwickeln können. Die von ihr beschriebenen Reaktionen sowie die Fragen in ihrer Jugend, waren keine krankhaften Reaktionen. Die Ängste und Panikattacken stehen eng mit dem erlebten Missbruch in einem Zusammenhang. Die Fragen in ihrer Jugendzeit in der Auseinandersetzung mit der Welt und sich selbst, gehören zum Lebensalter. Bei ihr wurde das Leben durch ihre erlittenen Traumen leidvoll verschattet.
Beziehung zu Bob Dylan
Die Beziehung zu Bob Dylan enthält mehr Perspektiven, wie im Film dargestellt. Es wird beschrieben, wie Dylan ihr das Herz brach, aber auch wie Baez ihn förderte und ihn als Kind beschrieb, um das sie sich kümmern musste. Diese Rollenvermischung als Geliebte, Muse und „Mutter“ reflektiert die Dynamiken ihrer frühen Traumata.
Silver Dagger
"I Am a Noise" fokussiert stark auf die Traumata in Joan Baez’ Leben und lässt andere bedeutende Aspekte ihrer Geschichte weniger zur Geltung kommen. Der Film nutzt nicht die Chance, die Lebensgeschichte zu einem umfassenderen Verstehen ihrer individuellen Leistungen und ihres Einflusses auf die Gesellschaft zu erzählen. Es überwiegen die Folgen des frühen Missbrauchs und die übernommenen Muster aus ihrer Herkunftsfamilie. In dem Folksong „Silver Dagger“ (das Lied beschreibt die Entscheidung eines Mädchens, aufgrund der Warnungen ihrer Mutter über die Untreue der Männer, ein Leben in Einsamkeit zu führen) hat sie bereits wie in einer Selbstprohezeiung anscheinend ihren Weg im Umgang mit Beziehungen besungen.
Ziehen wir aus dem Film eine Bilanz, so bleiben als offene Positionen die Transformation des frühen Missbrauchs, der noch heute in ihrem System anwesend ist und wirkt, sowie eine Erzählung der Lebensgeschichte mit den Instrumenten der Biografischen Gestaltungskompetenz, die auch eine Auflösung der erworbenen Muster aus den ersten 21 Jahren beinhaltet.
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